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HeXXen 1733 (2E): Das Waffen-Balancing-Problem

9. Februar 2023

Die zweite Auflage von HeXXen 1733 macht vieles nicht anders als die erste Auflage. Aber fast immer sind die Regeln im Detail einfacher und intuitiver. Und teilweise auch besser gebalanced. In diesem Beitrag zur 2E wollen wir uns das Balancing für eines der Kernelemente des Spiels anschauen: die Waffen.

Auch hier sei der Hinweis angebracht, dass die Details noch nicht in Stein gemeißelt sind. Nach dem Crowdfunding (15. März – 4. April 2023) wird es eine umfangreiche Feedback-Phase geben, in der ihr uns auf alles hinweisen könnt, was eurer Meinung nach einer zweiten Prüfung bedarf. Daher können sich die Werte noch ändern.

Balancing: Das Grundproblem

HeXXen 1733 ist in weiten Teilen ein taktisches Spiel, und taktische Spiele erfordern einen möglichst gut ausbalancierten Grundaufbau. Dieses Ansinnen hatten wir auch für HeXXen 1733 – doch ist es uns auch wirklich gelungen? Nach sechs Jahren HeXXen 1733 war es Zeit für eine offene und ehrliche Selbstkritik. Und dabei konnten wir obige Frage allenfalls mit einem „Jein“ beantworten.

Grund für die vage Antwort war ein Spieleffekt, der das konsequente Ausrechnen von Kampfwerten schwierig bis unmöglich machten: Bonus-AP. Zusätzliche AP gab es in erster Linie durch Segnungen und Rage. Aber auch die Reduzierung von AP-Kosten durch Kleidungssets wie die Musketier-Kleidung und bestimmte Jägerkräfte wie Schnelles Nachladen fallen indirekt in die Sparte der Bonus-AP. Wollte man die Mächtigkeit einer Waffe ausrechnen, musste man zwangsläufig zwischen zwei Jägergruppen unterscheiden:

  • Die Gruppe generiert Bonus-AP.
  • Die Gruppe generiert keine Bonus-AP.

Tatsächlich waren die Unterschiede zwischen beiden Gruppen gewaltig! Es macht einen enormen Unterschied, wenn man eine Muskete nur einmal pro Kampfrunde abschießen kann – oder zweimal, oder sogar dreimal.

Andere Angriffsformen ließen sich hingegen leicht ausrechnen: Fechtwaffenangriffe beispielsweise kosten jeweils nur 1 AP, und weil pro Kampfrunde maximal 3 Angriffe gestattet sind, man aber getrost davon ausgehen kann, dass jeder Jäger 3 AP zur Verfügung hat – ganz egal, ob man Bonus-AP hat oder nicht – stand das Schadenspotenzial für Fechtwaffen sehr genau fest.

Nur ließ sich dieses Potenzial nicht mit anderen Waffen vergleichen. Würde man eine Muskete nur einmal pro Runde abfeuern können, hätte man deren Schadenspotenzial (1 Angriff) mit dem von Fechtwaffen (3 Angriffe) vergleichen können. Mit Segnungen, Spieleffekten wie Schnelles Nachladen und AP-Reduzierungen wie durch die Musketierkleidung war es noch relativ leicht möglich, eine Muskete zweimal abzufeuern – mit ein paar Tricks sogar dreimal. Unter diesen Bedingungen hätte jeder Vergleich zwischen Musketen und Fechtwaffen zu dem eindeutigen Ergebnis geführt: Muskete top, Degen flop.

Aber war es denn überhaupt wichtig, dass wir bei den Waffenwerten ein gutes Balancing haben?

Illustration Lucas Örström

Dazu kann man verschiedener Meinung sein, und sicher werden viele Rollenspieler darauf hinweisen, dass eine Waffe ja nicht nur Ausdruck von Zahlen und Werten ist, sondern auch Teil des Fluffs und des Charakters. Das mag in vielen Rollenspielsystemen zutreffen – aber wir waren uns sehr sicher, dass es in den Weiten fremder Wohnzimmer viele Spieler gab, die die Waffenwerte eines doch recht gamistisch angehauchten Spiels wie HeXXen 1733 akribisch analysierten und zu dem Schluss kamen: „Nimm die Muskete!“

Aber selbst wenn man keinen Zahlenjongleur und Wertestatistiker am Spieltisch sitzen hatte – war es dann nicht trotzdem richtig, gleich von Anfang an im Spieldesign für Spielbalance zu sorgen? Sodass auch jeder Einsteiger das Gefühl hat, mit seiner ausgewählten Waffe etwas bewirken zu können? Egal ob Muskete, Schwert, Stangenwaffe oder Dolch? Ich denke schon!

Die Grundprämisse war gelegt: HeXXen 1733 sollte seinen taktischen Wert noch mehr unterstreichen, indem die Waffen besser aufeinander angepasst waren.

Was haben wir getan?

Es gab nur einen konsequenten Weg aus dem Schlammassel: Bonus-AP mussten aus dem Regelwerk gestrichen werden! Das taten wir, indem wir Segnungen und Rage neu ausrichteten und alle Effekte anpassten, die die AP-Kosten eines Angriffs reduzierten.

Mit diesem Kniff konnten wir Waffenwerte erstmals realistisch miteinander vergleichen und ausrechnen. Beim Ausrechnen kam uns die Statistik zur Hilfe. Wir gingen von einem durchschnittlichen Würfelpool von 8 Würfeln aus (macht etwa 2,5 Erfolge pro Wurf, Espritsterne inbegriffen) und setzten den durchschnittlichen PW eines Gegners mit 2 an. Boni auf Angriffe blieben unberücksichtigt, weil diese nicht in den Waffenwerten enthalten sind. Beim Parieren musste jedoch der Parademalus berücksichtigt werden, der bei 2 Januswürfeln 1 Trefferabzug bedeutete.

Natürlich gab es weitere Besonderheiten, die zusätzlich zur statistischen Berechnung berücksichtigt werden mussten. Zum Beispiel die Stellungs-Einschränkungen für Schusswaffen und die Benutzung von Giften für Dolche. Diese Besonderheiten ließen sich nicht in Zahlen abbilden – wir konnten hier nur Schätzungen anstellen. Aber dank unserer langjährigen Spielpraxis konnten wir diese Spielelemente recht gut in ihrer Mächtigkeit einschätzen.

Natürlich war uns klar, dass nach wie vor ein einziger Angriff mit einem hohen Grundschaden (z. B. Muskete) vor allem gegen hoch gepanzerte Gegner effektiv war, während mehrere schnelle Angriffe mit einer leichten Waffe (z. B. Fechtwaffe) vor allem gegen weniger gepanzerte Gegner sinnvoll war. Daran wollten wir auch nichts ändern. Dennoch offenbarte die reine Kunst der Mathematik, dass einige Waffenarten komplett durchfielen. Und zwingend angepasst werden mussten, wenn wir unser hohes Ziel der Spielbalance erreichen wollten.

Ans Eingemachte: Die Änderungen

Illustration: Lucas Örström

Dolche: Dolche blieben in ihren Werten unverändert, allerdings entfernten wir den Zusatz „… und Messer“, weil er uns überflüssig erschien.

Fechtwaffen: Blieben unverändert und dienten uns als Basis der Berechnung.

Schwerter/Säbel: Nach den Regeln der ersten Edition waren Schwerter wertetechnisch den Säbeln unterlegen und somit eine schlechte Wahl in der Jägererschaffung. In Anbetracht unseres Ansinnens, das Spiel einsteigerfreundlicher zu gestalten, haben wir Säbel und Schwerter zu einer Kategorie „Schwerter“ zusammengelegt und den Grundschaden der Säbel (4) übernommen.

Schlagwaffen: Auch hier blieben die Regeln gleich.

Stangenwaffen: Das Stiefkind unter den 1E-Waffen. Die Werte in AP und Schaden waren zu schlecht. Die 2 AP zum Parieren machte die Waffe gänzlich unbrauchbar für defensive Reaktionen. Hier besserten wir kräftig nach, indem wir den Schaden auf 8 hochsetzten, die Parade auf 1 AP beschränkten und  den Parademalus annullierten. Die Stangenwaffe ist nun eine Waffe, die entweder für einen einzigen heftigen Angriff verwendet werden kann, oder sich zum Parieren eignet. Aber selten beides gleichzeitig, weil Nahkämpfer mit Stangenwaffen vermutlich schwere oder mittlere Panzerung tragen würden und daher nicht genug AP für Angriff und mehrere Paraden haben.

Lanze: Nachdem uns bewusst wurde, wie selten berittene Kämpfe im Spiel vorkommen, haben wir Lanzen mit Stangenwaffen fusioniert.

Schleuder: Die Schleuder ist als Regelbegriff herausgenommen worden, wurde aber durch die Fertigkeit „Wurfwaffen“ ersetzt. Wurfwaffen gelten jetzt für alle geworfenen Waffen, in erster Linie natürlich für Wurfgeschosse des Alchemisten, aber auch für Dolche und sogar – wenn man das unbedingt möchte – für eine weggeschleuderte Muskete. Insofern macht der neue Regelbegriff einiges klarer, für den Alchemisten ändert sich nur der Name.

Pistolen: Unverändert.

Armbrüste: Ein weiteres Stiefkind der ersten Edition. Nach langem Grübeln und Rechnen haben wir die AP-Kosten von 3 auf 2 reduziert bei einem Grundschaden von 5 – wodurch die Waffe zu einer  sinnvollen Fernkampfalternative wurde. Wir haben aber die Einschränkungen (Angreifer muss freistehen) belassen, um die Armbrust nicht besser zu machen als die immer noch sehr universelle Pistole

Muskete: Nach dem Wegfall von AP-Boni gibt es nur noch unter ganz seltenen Bedingungen die Möglichkeit, Musketen mehr als einmal pro Runde abzufeuern. Bei maximal einem Schuss pro Runde waren wir daher gezwungen, die Muskete nachzubessern. Sie verursacht nun 9 Punkte Grundschaden und ist somit immer noch die mächtigste Waffe im Spiel – was aber durch die noch immer krassen Einschränkungen (Angreifer und Ziel müssen freistehen) relativiert wird. In Verbindung mit Musketenmeisterschaft ist die Muskete wie bisher das Prachtstück unter den schweren Waffen.

Hier alle Waffen in der Übersicht (Achtung: work in progress!)

 SCHAPAttributParadeAnmerkung
Fausthieb01 ATH-3 
Dolche11 GES-2Giftverwendung
Fechtwaffen21 ATH-1 
Schwerter42 KKR+/- 0 
Schlagwaffen52 KKR-2 
Stangenwaffen83 KKR+/- 0 
Wurfwaffen12 GESN/AAngreifer muss freistehen
Pistole32 SINN/AImmer freie Schussmöglichkeit
Armbrust52 SINN/AAngreifer muss freistehen
Muskete93 SINN/AAngreifer muss freistehen und Ziel muss freistehen

Soviel zum Waffenbalancing. Ich gebe zu, dass dieser Teil mithin die meisten Diskussionen erforderte, aber insgesamt bin ich sehr zufrieden mit dem Ergebnis. Im nächsten Blogbeitrag geht es um ein nicht weniger spannendes Thema: Die Regelmechanik der Eskalation in HeXXen 1733.

Apropos: Ab sofort könnt ihr euch zum kommenden HeXXen 1733 2E Crowdfunding voranmelden:

Bis dahin mit heXXischen Grüßen, euer HeXXenmeister Mirko Bader.

Mirko Bader
ÜBER DEN/DIE AUTORIN

Fühlt sich in der barocken Welt von HeXXen 1733 sehr wohl, die er als Redakteur betreut. Darüber hinaus ist er aber auch für eine wechselnde Zahl verschiedener anderer Rollenspielsysteme zuständig und muss sich in letzter Zeit vermehrt mit den Tücken digitaler Spielwelten auseinandersetzen.

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