Theaterritter: Patch Notes – Ein Werkstattbericht
Man sagt, es gibt keine fertigen Texte. Es gibt nur Texte, die nicht mehr gepflegt werden.
Dass wir aufgehört haben, die Theaterritterkampagne zu pflegen, ist heute etwa acht, neun Jahre her. Die erste DSA5-Kampagne, rausgehauen in 12 Monaten. Erst einmal vielen Dank an alle, Spielende, Lesende, Schreibende, Streamende, die sich in den letzten Jahren um unser Baby gekümmert haben! Die grundlegend überarbeitete Neuauflage ist fertig! Sie heißt Die Neunfingrige Klaue und umfasst über 2,5 Millionen Zeichen.
Ein seltenes Glück
Wenn man veröffentlichte Abenteuer überarbeiten kann, ist das ein seltenes Glück. Auch wenn diese Exemplare teilweise echt widerspenstige Biester sind: mal ausgefleddert, mal unförmig, mal überkomplex, mal zu streng geführt, mal zu offen angelegt. Für die Theaterritter galt es, löchrige Rumpelplots glattzuziehen, überflüssige Zöpfe abzuschneiden und ein paar eitle Verkünstelungen zu glätten. Die Informationen zu den Abenteuern als Einzelstücke sind gestrichen, redundante Wertekästen, Überblickstexte, Figurenbeschreibungen und Regelelemente sind zusammengefasst. Es ist also Platz geworden. Platz zum Flicken und Restaurieren.
Einen Großteil dieses Platzes nehmen zwei neue Szenarien ein, die dramaturgische Lücken schließen und den umfangreichen Hintergrund – hoffentlich – anschaulicher vermitteln. Wir haben außerdem neben den sechs Hauptabenteuern noch drei Heldenwerke und das Begleitheft zum Meisterschirm integriert. Es gibt deutlich mehr Vorschläge für themenbezogene, aussagekräftige Spielszenen, die die zahlreichen Meisterfiguren vorstellen und greifbar machen.
Außerdem haben wir Haupt- und Nebenfiguren aufgewertet, Typos korrigiert, Seitenverweise aktualisiert, Spielwerte angepasst und alle Schach-Icons der Figuren überprüft und korrigiert. Ja, wirklich alle.
Und jetzt wird’s inhaltlich. ACHTUNG: SPOILER!
Patch Notes
TR0: Rüben, Trommeln, Goblins. Als Vorspiel der Kampagne mit Fokus auf Festum gibt es Die Thorwalertrommel und Ein Goblin mehr oder weniger mit vielen Szenen im Gerberviertel und mit dem Roten Chor. Wir reflektieren, wie man mit der Zerstörung der Trommel umgehen könnte, und machen Vorschläge zur Verknüpfung und Platzierung der Rübenernte.
TR1: Der Weiße See. Die Festumer Freundschaftstragödie um Jääni und Olko bekommt mehr Futter und kann direkt miterlebt werden. Am Klammwasser gibt es drei Handvoll Einführungsszenen für Figuren der verschiedenen Fraktionen, um die Konflikte zugänglicher zu machen. Die Drachenjägerin Gudanja Tippsjen erhält mehrere Auftritte und wird über weitere Teile der Kampagne aufgebaut, damit ihr Schicksal in TR4 mehr Wucht entfaltet.
TR2: Das Blaue Buch. Ein optionales Mini-Szenario führt Mjesko Einhand und Ischtan von Quelldunkel ein, die in TR4 und 5 wichtige Funktionen erfüllen. Mit Salwinja von Elkenacker bekommt Gudanja einen Sidekick, mit dem sie eine enge Freundschaft entwickelt. Auch für Burg Korswandt gibt es Szenenvorschläge, um das Personal von Anfang an zu charakterisieren.
TR5a: Der Hölzerne Thron. Was ist das? Ein brandneues Szenario, das direkten Einblick in die Theaterritter-Zeiten bietet. Die Insignien der Goblingeister erhalten in flexibel einsetzbaren Handlungsmodulen… etwas mehr Aufmerksamkeit. Für die Helden heißt das Auseinandersetzung mit wirklich alten und mystischen Geschichten sowie eine neue schlimmste Freundin namens Jääni.
Genaugenommen sind es zwei Abenteuer, denn dieser Handlungsstrang wird später mit der Geschichte um Leudaras Kult in einem zweiten Teil verknüpft. Darum die komische Nummerierung. Aber eins nach dem anderen.
TR2a: Der Irdene Turm. Und was ist das? Noch ein neues Szenario! Es beginnt im Heerlager des Linjan von Elenau vor dem Aufbruch nach Tobrien, und es endet in einem alten, post-alhanischen Bauwerk. Es geht um Leudaras Tempelvorsteherin Irinje und um Wahnfried von Ask, der sich hier als alternder Bonvivant und traditionsbewusster Adliger zeigt. Die Jantareffs bekommen mehr Screentime, vor allem Fetanka und Alriksej. Auch die arme Ritterin Janne von Büschelskoje, die in TR6ein tragisches Schicksal ereilt, kann man hier kennenlernen. Nicht zuletzt bekommt die Legende um die Heilige Rondragabund neues Futter.
TR3: Der Schwarze Forst. Hier war eine Menge zu tun. Das Wichtigste: Ricarda ist keine Superschurkin mit fiesem Masterplan mehr. Der Plot ging von zu vielen Voraussetzungen aus, die Spielleitung hatte zu wenig Werkzeug für das Spiel mit hexischer Heimlichkeit. Ricarda ist jetzt deutlich eigenständiger, menschlicher und darf auch ein bisschen Pschikologie betreiben. Ihr Plan entwickelt sich allmählich, wird den Spielenden besser mitgeteilt und kann auch scheitern. Es gibt mehr Vorschläge für Alternativen und auch mehr Potenzial für ein Happy End mit Alriksej.
In Irberod und Salderkeim gibt es mehr Spielmaterial, Widersprüche bei Bisminka von Jassuula und ihrer Schülerin Bilkis wurden korrigiert. Die Grundmotivation für das Abenteuer ist stärker auf Alriksej ausgerichtet, und Milzenis‘ Bornwald ist gruseliger geworden.
Bonus: Ein Rechenfehler wurde behoben: Wir hatten die Maßeinheit Finger und Halbfinger verwechselt, aber jetzt ist die Dicke der Stahlbarren richtig berechnet und das Gesamtgewicht stimmt. Ja, das kann man wichtig finden.
TR4: Der Grüne Zug. Gefühlt ein Drittel dieses Abenteuers ist neu geschrieben oder umgebaut. Und – Boy! – das war harte Arbeit! Graf Wahnfrieds Rolle (und seine Hybris) werden besser veranschaulicht, sein Schicksal und die Aushebung des Grünen Zugs konkreter ausgearbeitet. Auch die Auseinandersetzung mit der Adelsmarschallin, der Begleiter-Figur und den Figuren im Grünen Zug haben jetzt mehr Raum. Die Entschlüsselung von Rondragabunds Schild ist mit einem optionalen Regelmodul versehen. Insgesamt erhalten die Helden mehr Agency: Ihre Rolle im Grünen Zug ist flexibler, zur Schlacht am Grauzahn gibt es neue Optionen für Schurkenstücke, Heldentaten und Wundersames.
TR5: Die Silberne Wehr. Hier war wohl am wenigsten zu bearbeiten. Die Legende zur Silbernen Wehr ist konkretisiert, es gibt ein kleines Nachspiel in Notmark, neue Szenenvorschläge für Burg Trescha und ansonsten Spaß mit Feenwesen.
TR5a: Eine Lebende Heilige. Teil zwei dieses neuen Doppelszenarios. Hier geht es um Leudaras neuen Kult, ihren Streit mit Adel und Rondrakirche. Noch konsequenter als in TR6 können die Helden hier auf unterschiedlichen Seiten stehen – und kämpfen. Das Szenario enthält Leudaras Predigten, stärkt als Bekannte wie Vanjescha von Sirmgalvis und bereitet die Ereignisse um Jadvige von Hummergarben viel gründlicher vor.
TR6: Der Rote Chor. Hauptproblem hier war, dass diese Sandbox zwar viel Material angeboten hat, aber der Abenteuereinstieg holperte. Wir hatten zu wenige Fäden aus vorigen Abenteuern wiederaufgenommen, den Ruhm der Helden kaum inszeniert und kaum Wahlkampf-Material geliefert.
Jetzt gibt es diverse Einladungen und Wahlkampffeiern mit eigens zugeschnittener Wahlkampf-Erzählung und kleinen erzählerischen Höhepunkten. Die Erleuchteten des Blutes sind plastischer und härter geworden, eine Positionierung für oder gegen sie ist konsequenter möglich. Dazu gibt es mehr Material für den Sennenmeister und dichtere Verknüpfungen mit dem Schlitzer-Strang.
Bei Mantka Riiba konnten wir dank der neuen Szenarien viel Erklärbär-Strecke streichen, und auch Jäänis Rolle ist besser beschrieben. Es gibt Vorschläge, Nadja und Bilkis erzählerisch zu nutzen – man könnte TR6 damit sogar (parallel zum Helden-Plot) in Richtung 1W6 Freunde orientieren.
Mal sehen, wann und wie die weiter gepflegt werden. Einstweilen wünsche ich euch allen viel Spaß mit der frisch geduschten, gekämmten und rasierten Theaterritter-Kampagne, die nun außerdem ein paar extra Tattoos schmücken.
– Pojechali! Euer Daniel Heßler