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Das Wüstenreich – Ein Kulturkunde-Crashkurs über die Novadis

22. November 2022

Die neue Regionalspielhilfe Das Wüstenreich – Die Wüste Khôm und Thalusien für Das Schwarze Auge entführt dich in die Welt einzigartiger aventurischer Kulturen. Heute widmen wir uns zur Einstimmung der zentralen Kultur der Region: den Novadis. Wie ist das redaktionelle Konzept für ihre Entwicklung und Abenteuer? Was macht einen Novadi aus? Redakteurin Zoe präsentiert ein Eynmaleyns der novadischen Kultur!

Auf der DreieichCon 2022 habe ich einen Vortrag gehalten, der inhaltlich, wenn auch wesentlich ausführlicher, diesem Blogartikel entspricht. Heute, am 22. November, dem 5. Rastullahellah und damit höchsten Feiertag der Novadis, möchte ich die novadische Kultur noch einmal in schriftlicher Form feiern!

Die große Prüfung

Es war eine große und erfüllende Herausforderung für mein wundervolles Autor:innen-Team und mich, den Metaplot des Wüstenreichs weiterzuentwickeln und dabei die zentralen Konzepte der novadischen Kultur zu analysieren. Mehr noch als bei allen anderen Projekten für Das Schwarze Auge, die ich bisher betreuen durfte, sollte sich hier richtig etwas bewegen. Mit dem Regional-Abenteuer Königin der Tränen läuten die Helden nicht weniger als ein neues Zeitalter für die Novadis ein – Das Zeitalter der Rache. Doch das ist eine Geschichte für einen anderen Tag, o Töchter und Söhne der Neugier! 😉

Heute werde ich euch einen Einblick in den kreativsten Teil meiner Profession als Redakteurin geben: das Erschaffen von glaubwürdigen fiktiven Welten. Um die Novadis besser in unterschiedlichste Spielgruppen integrierbar zu machen, ihnen langfristig bespielbare Abenteueraufhänger zu geben und dabei ihr unverwechselbares Profil zu erhalten und zu schärfen, habe ich mich mit meinem Team ans Reißbrett begeben und eine Regionalspielhilfe und Geschichte entworfen, die den Novadis an die Substanz geht und ihre schlimmsten Ängste, größten Hoffnungen und Motivationen für das Abenteurerdasein abfragt.

Einen kleinen Ausblick auf das Ergebnis stelle ich dir nun vor, dabei brauchst du keinerlei Vorwissen über die Novadis, im Gegenteil!

Das Eynmaleyns der Novadi-Kultur: let’s get political!

Das Wüstenreich ist politisch ein Kalifat, das aus Sultanaten und Emiraten zusammengesetzt ist, die man sich wie Bundesstaaten vorstellen kann. Sultanate werden dabei von je einem Sultan regiert, Emirate von Emiren – der Unterschied ist, dass Sultane Krieger sind, die von ihren Stämmen gewählt werden, während sich Emire eher um Handel und Landwirtschaft kümmern und direkt vom Kalifen eingesetzt werden. Die wichtigsten politischen Figuren sind die vier Säulen des Kalifats, die der Kalif als ausführende Gewalt ernennt: der Hohe Mawdli (oberster Rechtsgelehrter), der Khedive (Verwaltung, Kunst und Wissenschaft), der Almosar (Schatzmeister, sorgt für Arme und Versehrte) und der Mautaban (oberster Heerführer und Richter). Anders als etwa im Mittelreich, ist nur das Amt des Kalifen erblich – bei allen anderen ist es sogar unerhört, als Nachfolger ein Mitglied derselben Familie einzusetzen.

Der Ursprung der Novadis: Schöpfungsmythos & Erste Offenbarung

Im Gegensatz zu den meisten aventurischen Völkern verehren die Novadis nur einen Gott: Rastullah. Novadi ist man, wenn man an Rastullah glaubt und seinen Gesetzen folgt, Abstammung spielt keine Rolle. Der Legende nach schuf Rastullah die Welt in 7 Tagen und überließ dann seinen mächtigsten Zwölf Dienern die Wacht über die Welt. Als er am 9. Tag erwachte, stellte er fest, dass die Zwölf sich von ihm abgewandt hatten und ihren eigenen Zielen nachgingen. Doch ein Volk, tief in der Wüste Khôm, hatte noch nie auch nur Rastullahs Namen gehört und lebte doch tugendhaft und nach den Werten, die er schätzt. So kam er in der Ersten Offenbarung zu ihnen und erwählte sie als ihr Volk. Es handelte sich um die Beni Novad und nach ihrem Stammesnamen rufen sich heute alle Rastullahgläubigen als „Novadis“. Rastullah entschied, dass er die Tugend seines Volkes weiter prüfen wollte und so spendet er keine göttliche Kraft an seine Gläubigen – die Novadis haben keine Priester. Stattdessen ist es die Aufgabe jeder und jedes Einzelnen, seine 99 Gesetze zu interpretieren und Rastullahs Willen im Diskurs aus allen möglichen Perspektiven zu ergründen.

Was wollen Novadis? – Werte & Aspekte

Der zentrale Wert der Novadis lässt sich mit dem Wort „Aram“ zusammenfassen. Aram bedeutet gleichzeitig „Zelt“ und „Familie“ – das Sinnbild des Zeltes, in dem Gläubige und Gäste zum Diskurs zusammenfinden, begegnet einem überall im Wüstenreich, in Alltag, Kunst und Spiritualität. Die Novadis definieren sich durch ihre Gemeinschaft, alles was ihnen wichtig ist, ist auf den Erhalt des Aram ausgelegt. Rastullah als Gott und oberstes Vorbild verkörpert die Aspekte Überleben und Diskurs. Inmitten der lebensfeindlichen Wüste ist es unabdingbar, dass gute Entscheidungen getroffen werden. Wer sich vertut, hat schnell Tote auf dem Gewissen. Alles in der Gesellschaft ist deshalb darauf ausgelegt, gleichzeitig den Frieden zu wahren und den Zusammenhalt zu stärken, dabei aber nie teilnahmslos anderen die Führung zu überlassen.

Weiterhin wichtig ist die Ehre und ihr gegenübergestellt die Demut. Ehre bedeutet, seinen Platz im Aram ohne Bedingungen verdient zu haben; Demut hingegen, zu verstehen, dass nicht jeder Streit ein Angriff auf diesen Anspruch darstellt. Wenn ein Novadi seine Ehre oder die eines Verbündeten also verletzt sieht, fürchtet er um seinen oder deren Wert für die Gemeinschaft und wird das Gegenteil beweisen wollen – daher rührt wohl das Vorurteil von Fremden, Novadis seien leidenschaftlich bis hin zu Stursinn.

Wie wird man Novadi? – Initiatonsriten

Krieger genießen einen besonderen Stellenwert bei den Novadis. Sowohl die unerbittliche Natur als auch die von Kriegen bewegte Geschichte und die Mahnung Rastullahs vor dem Unverständnis von Andersgläubigen haben dazu geführt, dass das Rede- und Stimmrecht unter Novadis in der Politik traditionell Novadis vorbehalten ist, die eine kriegerische Ausbildung durchlaufen haben. Hier gibt es Unterschiede zwischen Mann und Frau, die einen direkten Blick wert sind. Frauen sind hier nämlich traditionell unterrepräsentiert, da sie eine weitere Hürde zu meistern haben, bevor eine solche Ausbildung für sie in Betracht gezogen wird: die Laila ash’Shaya. Bei dieser „Nacht des Juwels“ wird der Mut von jungen Mädchen geprüft. Beweisen sie Tapferkeit, erhalten auch sie die Chance, sich als Jugendliche bei der Amadah zu beweisen. Dabei handelt es sich um eine Prüfung im Kampf, deren Bestehen einen Novadi zur politischen Teilhabe berechtigt. Fortan gilt man als Amadahim und bekommt einen Krummdolch – den Waqqif – als Statussymbol.

Als Redakteurin stand ich vor einer großen Entscheidung. Es wäre eine unkomplizierte, aber unbefriedigende Entscheidung gewesen, diesen gesetzten Geschlechterunterschied einfach hinzunehmen. Viel weiter ging er im ursprünglichen Quellenmaterial, ja teils so weit, dass ich das Gefühl bekam, unter den Novadis gäbe es überhaupt keine Frauen, so machtlos wie sie sind, so selten wie sie erwähnt werden. Je nach Geschichte, die man erzählen möchte, können solche Ungleichheiten spannend, ja, auch unterhaltsam sein. Aber hier ging es darum, eine Spielhilfe zu verfassen, mit der du deine Geschichten erzählen kannst, und zwar so frei wie möglich und mit unterschiedlichsten Helden und eben auch Heldinnen. Mit diesem Ziel vor Augen haben wir die Amadah als zentrales Ereignis in der novadischen Kultur nochmals mehrfach unterstrichen.

Es gibt weiterhin Ungleichheiten in der Machtverteilung des Kalifats, da Frauen bisher wesentlich seltener die Amadah ablegen konnten. Doch im anbrechenden Zeitalter der Rache haben die Novadis mit vielen Verlusten zu kämpfen. Es braucht mehr Krieger zum Schutz: Handwerkerinnen, Lehrerinnen, Mütter greifen zu den Waffen, denn sie wollen ihr Aram verteidigen! Sie wollen Einfluss, ihre Talente einbringen, mitentscheiden! Inmitten eines nie dagewesenen Überlebenskampfes wird Althergebrachtes neu verhandelt, denn nichts anderes ist rastullahgefällig, als Argumente abzuwägen, um das Überleben der Gemeinschaft zu sichern. Deshalb hat sich auch eine zusätzliche, neue Form der Amadah entwickelt: eine Prüfung im Streitgespräch, bei der die Reife mit dem Schneid des Verstandes bewiesen wird.

Auch Fremde und Andersgläubige, die ihre Hilfe anbieten, können die Novadis nicht mehr lange aus Ehrgefühl zurückweisen. Die Suche nach Ressourcen, Fähigkeiten und grenzenlosem Mut führt immer häufiger dazu, dass die stolzen Novadis Hilfe annehmen müssen. So kann es vorkommen, dass einem Fremden die Zulquh, der Blutsbund, angeboten wird. Wer mit einem oder einer Novadi den Blutsbund schließt, gilt fortan als Teil dessen Sippe, als Bruder oder Schwester, für die man in den Tod gehen würde. Dieser heilige Bund kennt weder Geschlecht noch Spezies noch Glauben – nur den Wunsch, den Anderen Teil seines Aram werden zu lassen.

Ängste & Hoffnungen – Abenteuer für Novadis

Was nach dem Tod kommt, glaubt kein Novadi sicher zu wissen. Verbreitet ist die Vorstellung vom Großen Zelt Rastullahs, in das man am Ende seines Lebensweges einkehrt. Allerdings gibt es keine konkreten Versprechungen von Rastullah, was man sich mit einem Leben nach seinen 99 Gesetzen nach dem Tod verdienen könnte – im Gegenteil betonen Novadis den Wert eines guten, langen Lebens.

Das Missionieren von Andersgläubigen wird wie ein Sport betrieben, bei dem es darum geht, seine eigenen Argumente zu schärfen. Eine gesonderte Belohnung für das Konvertieren einer Person gibt es jedoch weder im Leben noch danach, wenn man von der Befriedigung absieht, Recht gehabt zu haben und das Überleben eines anderen mithilfe von Rastullahs Weisheit gesichert zu haben. Dementsprechend ist es besonders wichtig für Novadis, als Vorbild voranzugehen und den Mehrwert ihrer Interpretation der 99 Gesetze zu beweisen.

Die Niederhöllen als Konzept existieren für Novadis nicht, zumindest nicht als Ort, an dem ein Novadi sich jemals wiederfinden könnte. Ihre ultimative Angst hat vielmehr mit dem Ausschluss aus dem Aram zu tun. Doch selbst in der Verbannung ist das Band zwischen Novadi und Rastullah nie getrennt und Buße in Form von Wiedergutmachung bei der Gemeinschaft ein wichtiger Bestandteil ihres Glaubens, da ihnen wohl bewusst ist, dass niemand die 99 Gesetzte immer konfliktfrei achten kann.

Die Novadis glauben, dass der Körper nach dem Tod von Rastullahs Sendboten, den Vögeln, zum Himmel getragen werden muss, damit auch die Seele bei ihm ankommt. Einen einsamen Tod in der Wüste zu sterben, bei dem der Körper nie von der Familie aus seinem Sandgrab geborgen werden kann, ist so das Sinnbild der novadischen Hölle. Nekromantie, Chimärologie, Einflussmagie und alles, was Körper und Geist einschränkt und für das Überleben und den Diskurs unnütz macht, sind so Feindbild der Novadis – und ein Ursprung für ihre weitgehende Ablehnung von Magie.

Du merkst es schon, ich könnte dir stundenlang von den Novadis erzählen! Doch zum Glück muss ich das gar nicht, denn Das Wüstenreich – Die Wüste Khôm und Thalusien, die Königin der Tränen, Das Heldenbrevier des Wüstenreichs und vieles mehr zeichnen dir ein vollständiges Bild unserer Vision.

Lust aufs Wüstenreich bekommen? Dann bestelle die Regionalspielhilfe ab Dezember im Collector’s Club vor!

Mein Zelt ist das deine, Zoe von der DSA-Redaktion

Zoe Adamietz
ÜBER DEN/DIE AUTORIN

Ergründet Antworten auf die großen Fragen des Redaktionsdaseins: Mache ich ein Buch darüber, und wenn ja: wie viele? Neben der Entwicklung von Spielhilfen für Das Schwarze Auge beschäftigt sie sich vor allem mit Konzeptarbeit, Fan-Feedback, Social Media und dem Collector’s Club.

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